Anreise
1. Urlaubstag - Freitag 9.04.2004

Es ist alles einfach chaotisch. Die ganze Woche vor unserem Urlaub war bei uns beiden auf Arbeit wieder Hektik angesagt. Dass führt dazu, dass wir zwar grundsätzlich alles vorbereitet haben, auch der Wohnwagen ist vom TÜV zurück und steht unten an der Strasse, aber es ist noch nichts eingepackt. Evi musste am Donnerstag etwas länger arbeiten, ich kam erst 22 Uhr nach Hause. So beschließen wir, den Freitag von vornherein als Anreisetag zu nehmen und früh erst einmal in aller Ruhe einzupacken.

Evi ist Frühaufsteherin, als sie mich halb neun weckt, hat sie schon einiges zusammengepackt. Also los, ein kurzes Frühstück, eine Tasse Kaffee und auf geht’s. Während Evi sich um die restlichen „Klamotten“ kümmert, beginne ich mit dem Zusammenstellen der Ausrüstung. Zuerst lade ich das Vorzelt aus dem Wohnwagen aus, für eine Woche lohnt sich der Aufbau nicht.

Es regnet in Strömen, eigentlich sieht das nicht nach Urlaubswetter aus. Aber es soll ja besser werden. Also hole ich das Auto, die Garage ist ein Stück weg. Schon als ich aus der Garage fahre, habe ich ein komisches Gefühl. Hinten rechts scheint etwas weniger Luft auf dem Reifen zu sein – eigentlich wollte ich ja diese Woche sicherheitshalber noch einmal zum Reifendienst. Letztens war auf dem Rad schon etwas weniger Luft als auf den anderen, na ja, ich habs vergessen, ich hätte sowieso keine Zeit gehabt.

Also auf zur Tankstelle. Siehe da, ein halbes Bar fehlt. Na gut, aufpumpen, wird schon gehen. Wieder zurück nach Hause, direkt vors Haus. Zuerst müssen die Fahrräder aufs Dach – ich bin gerade bei den Vorbereitungen am Dachgepäckträger – da kommt Evi aus dem Haus und geht am Auto vorbei. Sie behauptet, es „pfeift“. Ich habe plötzlich so ein ungutes, komisches Gefühl… ich ahne was. Wir gehen dem Geräusch nach und kommen zum rechten Hinterrad. Und – leider – hat Evi recht. Mitten auf der Lauffläche, zufällig direkt oben auf dem Rad steckt eine ziemlich große Schraube im Reifen, der Kopf ist teilweise schon abgefahren. Sch…. Durch den Regen ist alles nass, auch der Reifen, dadurch gibt es ein Geräusch, wenn die Luft langsam ausströmt.

Was nun? Reifendienst, zum Feiertag – ist nicht. Aber wir haben ja ein vollwertiges Reserve-Rad, dann fahren wir aber ohne ein solches herum. Was soll’s, wir haben keine andere Wahl. Also alles ausgepackt für den Radwechsel, der bei einem Jeep mit der Radgröße 245x70 im strömenden Regen besonderen Spaß macht. Mittlerweile haben wir im Haus Aufmerksamkeit erregt mit unserem Tun und so erhalten wir moralische Unterstützung.

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Alles ist bereit, es kann losgehen.

Es geht problemlos, aber Spaß macht es trotzdem nicht. Dann ist alles wieder zusammengebaut und ich hebe die Fahrräder aufs Autodach. Anschließend bringe ich das zusammengelegte Boot und alles andere ins Auto. Bei unserem Jeep kann man die Rücksitzbank hinter den Vordersitzen hochklappen und arretieren, damit wird er zum Zweisitzer und man gewinnt jede Menge Stauraum. Mir ist es lieber, wenn beim Fahren mit dem Wohnwagen das Auto möglichst schwer ist, deswegen wird immer erst der Kofferraum gefüllt.

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Evi hat schnell noch einen Stuhl geholt.

Es ist gut 12 Uhr, ich bin nass bis auf die Knochen. Aber eine Dusche wirkt Wunder, danach fühlt man sich besser. Nach all der Hektik geht es eine halbe Stunde später los - denkste! Wir wollen gerade losfahren, in diesem Moment klingelt Evis Handy. Mein Bruder kommt uns mit seiner Frau am Sonntag im Spreewald besuchen, wir werden am Montag gemeinsam paddeln, bevor die Beiden wieder nach Hause müssen. Wir freuen uns, wir hatten schon nicht mehr dran geglaubt. Aber nun saust Evi los, noch einen Campingstuhl holen, wir haben im Moment nur drei im Wohnwagen.

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Die Zugvorrichtung wird kontrolliert, dann geht es los.

Dann haben wir es endgültig geschafft, wir fahren los. Über Engelsdorf und Taucha, dort auf die B87 in Richtung Eilenburg. Außer dass es regnet und kühl ist, ist alles in Ordnung. In Eilenburg wundern wir uns, dort wurde eine neue Straße gebaut. Von einer Brücke aus sehen wir ein Schild "Torgau". Doch es ist zu spät – mit dem Wohnwagen können wir nicht wenden. So fahren wir durch Eilenburg und kommen prompt auf eine Umleitung, die uns im weiten Umkreis über die Dörfer zurück auf die B87 führt. Auf der Rückfahrt, eine Woche später, sehen wir dann, dass kurz vor der Brücke eine Auffahrt auf die neue Umgehungsstrecke führt. Leider ist das Schild "Alle Richtungen" so unscheinbar aufgestellt, dass alle Unkundigen weiter durch die Stadt und die lange Umleitung fahren.

Aber nach Eilenburg geht es dann ohne Probleme weiter. Nach der Passage von Torgau kommen wir nach Herzberg, etwa die Mitte der Strecke. Nach all der Hektik sind wir doch ein wenig abgespannt, also gibt es erst einmal eine Rast an der Tankstelle an der Umgehungsstraße, außerdem will ich noch einmal die Luft prüfen. Alles ist in Ordnung, es gibt einen Kaffee und ein belegtes Brötchen, nach eine halben Stunde geht es weiter.

Dann passieren wir Luckau und erfreulicherweise hört der Regen langsam auf. Wir biegen von der B87 ab und fahren in Richtung Lübbenau. Dort fahren wir wie immer auf der Hauptstraße entlang bis zu Aldi und biegen dann links ab in die Poststraße. Auf dem Platz hinter der Nikolaikirche sind schon die Holzstapel für das Osterfeuer am Sonnabend aufgeschichtet. Dann geht es rechts rum, am Schloss und am Hafen vorbei und gegen 17 Uhr kommen wir endlich auf dem Zeltplatz an. Auf der Zufahrt kommen uns mehrere Wohnwagen entgegen, sie haben wohl keinen Platz mehr bekommen. Gut, dass wir reserviert haben!

Doch nun geht es wieder los – aufbauen. Zuerst haben wir aber das Problem, den Wohnwagen in die für uns verbliebene Lücke zu bekommen. Der Untergrund unseres Stellplatzes besteht weitgehend aus Sand, es ist auch weit und breit keiner zu sehen, der mit anfassen könnte. Also hängen wir nach einem ersten Rangierversuch das Auto wieder an und machen Kunst – nach fünf Minuten Rangieren mit dem Jeep und einer letzten "manuellen" Drehung steht der Wohnwagen endlich auf der vorgesehenen Stelle. Gleich geht es mit der gewohnten und bewährten Arbeitsteilung los. Ich kurble die Stützen runter, Evi legt die Stützbretter unter, ohne die es bei einem solchen sandigen Untergrund nicht geht. Dann kontrolliert sie die Wasserwaage, während ich kurble, schließlich wollen wir nicht aus dem Bett rollen. Als der Wagen fest und grade steht, schaffe ich die Taschen mit den Sachen, die Klappkiste mit den Lebensmitteln und das Kleinzeug in den Wohnwagen und schließe die Gasflasche an.

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Unser Standplatz, links im Hintergrund sieht man das Sanitärgebäude.

Dann habe ich endlich Zeit, mich um etwas wichtiges zu kümmern – um unser Ally. Es hat den Winter auf unserem Dachboden verbracht, hat es ihn auch gut überstanden? Ja, alles ist in Ordnung. Zuerst lege ich die Bootshaut aus, dann die Bodenmatte. Nach diesem anstrengenden Tag habe ich keine Lust, auch nur ein Foto zu machen, man möge es mir verzeihen. Dann kommen Bug- und Hecksteven in die Bootshaut, ich merke dabei schon, das die Bootshaut bei fünf Grad Aussentemperatur sehr steif ist. Evi kommt zu Hilfe und gemeinsam bringen wir die Längsstreben, zuletzt den Kiel, unter. Dann werden die Querspanten eingefügt, ausgehend von der Mitte. Sie werden eingesetzt, justiert und mit einem Gummihammer vorsichtig in Position "geschlagen".

Zuletzt installiere ich die Spritzdecke, die rundherum nur eingehängt wird. Sie soll normalerweise verhindern, dass bei heftigem Wind und hohem Wellengang oder im Wildwasser das Boot voll Wasser läuft, sie soll also die Sicherheit erhöhen. In Norwegen haben wir sie einmal auch diesbezüglich gebraucht. Hier im Spreewald ist sie eigentlich nicht erforderlich. Die Fließe sind nicht sehr breit, und einmal hat ein Kahnfahrer uns spaßeshalber gedroht, uns zu versenken. Auf die Bemerkung von mir, dass ich schwimmen könne, antwortete er, ich hätte dann nur noch das Problem, dass ich mit den Knien ständig auf dem Grund aufschlagen würde! Nur auf dem Nord- und Südumfluter und der Hauptspree ist das Wasser etwas tiefer. Nein, wir brauchen den Schutz gegen das Wasser von oben, gegen den Regen.

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Alles ist fertig aufgebaut, auch das Boot. Zeit für eine kurze Pause.

In der Zwischenzeit hat Evi Abendbrot gemacht, es gibt Reis mit Fleisch. Wir sind alle beide froh, das wir nun in Lübbenau sind. Nach dem gemütlichen Abendbrot im beheizten, heimeligen Wohnwagen ziehen wir uns in Ruhe um. Evi hat voriges Jahr etwas gelesen von der Babben-Brauerei, der kleinsten Brauerei im Land Brandenburg. Damals hat die Zeit nicht gereicht, aber da wir beide schon gern mal ein Bier trinken und gerade nichts anderes vorhaben, wollen wir einfach dort vorbeischauen.

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Evi bereitet unseren Abendspaziergang vor.

Wir gehen durch den Schlosspark zur Altstadt, vorbei an dem Nobelrestaurant, dass sich im Schloss befindet und bedauern ein wenig die Leute, die dort zum Abend mit Krawatten herumflanieren. Dann kommen wir in die wunderschöne Altstadt von Lübbenau. Evi weiß nur noch ungefähr, wo die Brauerei ist. So stehen wir plötzlich am Ende der Spreestraße vor drei Treppenstufen, die direkt ins Wasser führen. Das war es nicht. Zwei Gassen weiter stellen wir fest, dass wir schon zu weit sind, aber dann haben wir es gefunden. Zwei nebeneinander stehende Häuser – die Brauerei und die Gaststätte. Es ist voll, nur zwei Plätze an einem Vierertisch sind noch frei.

An diesem Tisch, der jetzt auch unser Tisch ist, sitzt ein Paar. Es dauert nicht lange, dann wissen wir, das die Frau aus Lübbenau stammt und ihr Mann aus Hessen, wo sie zu Hause sind. Über Ostern besuchen sie die Verwandtschaft in Lübbenau. Wir erfahren auch, das just an diesem Abend das erste „Märzen“ ausgeschenkt wird, deswegen ist es wohl auch extra voll in der Babben-Schenke. Wir müssen natürlich sofort kosten, wie es schmeckt. Die Unterhaltung wird immer lebhafter, wir erfahren, das wohl fast ein Drittel der Bevölkerung von Lübbenau wegziehen musste, als große Teile der Cottbuser Braunkohle-Förderung dicht gemacht wurden und die Arbeitsplätze von heute auf morgen nicht mehr vorhanden waren. Da im Südraum von Leipzig ähnliches passiert ist und Evis Eltern auch beide in der "Kohle" gearbeitet haben, gibt es viel zu erzählen. Wir erfahren, dass der Spreewald nun vorwiegend auf den Tourismus angewiesen ist, aber auch dieser eine Gratwanderung bedeutet. Denn die Ökologie ist empfindlich und zuviel Tourismus würde den Spreewald zerstören.

Dann schau ich irgendwann mal auf die Uhr und stelle fest, es ist halb eins. Der nächste Blick geht auf den Zettel – vorsichtig die Augen wischen – nein, sie bleiben, die neun Striche! Die Zeit ist schnell vergangen, das Bier hat sehr gut geschmeckt und uns hat es sehr gefallen. Wir verabschieden uns und wünschen noch einen schönen Urlaub – dann geht es durch die Altstadt heim. Auch im Hafengebäude, in dem sich im ersten Stock eine Bowlingbahn befindet, ist noch Betrieb. Aber wir haben heute keine Lust mehr auf Fun und wandern zwischen Schlosspark und Spree zum Campingplatz. Es ist kalt, aber klar, die Sterne leuchten. Auf dem Zeltplatz ist nur noch in wenigen Wagen Licht. Dann sind wir da – müde und geschafft - aber zufrieden.

Nun ist es aber genug für heute – Nachtruhe.

 

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