Das Valdres Folkemuseum
19. Urlaubstag - Mittwoch, 3.9.2003

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Zuerst tanken. Egal was kommt, es ist gut, einen vollen Tank zu haben.

Heute klingelt der Wecker halb neun, wir wollen ins "Valdres Folkemuseum". Das Wetter ist windstill, kalt und trübe, aber es regnet nicht. Also schnell duschen und frühstücken. Die neuen Konfitüren schmecken wider Erwarten angenehm. Vielleicht, hoffentlich doch nur ein essbarer Restbestand. Dann machen wir uns fein, denn heute ist Kultur angesagt. Es ist ja nicht weit bis zur Halbinsel Storøya am Ortseingang von Fagernes, auf der sich das Museum befindet. Es existiert wohl seit über einhundert Jahren, seit dem März 1901. Im Jahre 1905 wurde das erste Haus angeschafft, jetzt sind es über siebzig.

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Meine Eintrittskarte - 30 NOK, etwa 8 €.

Aber immer der Reihenfolge nach. Wir kommen halb elf an und gehen zuerst in die Rezeption in dem modernen Gebäude, in dem sich auch die Ausstellungen befinden. Auf dem Plan ist es als das größte Gebäude auf dem Gelände erkennbar, dass sich am Weg vom Parkplatz befindet. Hier gibt es erst einmal den unvermeidlichen Andenken - Laden. Wir schauen uns alles an, können uns aber für nichts so richtig erwärmen. Nur ein Buch über Trolle, die norwegischen Naturgeister, gewinnt unser Interesse. Dann gibt es noch ein schönes Buch über die Stabkirchen, zur Sicherheit, falls wir doch keine offene mehr finden. Und schließlich suche ich gezielt nach einer CD mit norwegischer Volksmusik. Ich finde, diese Musik sagt sehr viel über ein Volk aus. Vielleicht kann man sich eine solche CD nicht in einem Stück anhören, aber das Risiko muss man eingehen.

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Musik - norwegische Volksmusik und Bücher.
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Evis Eintrittskarte fürs Museum - auch 8 €.

Nur bekomme ich nun ein Problem. Es steht kein Preis an der CD. Die Nachfrage an der Rezeption löst ein mittleres Preissuche-Chaos aus. Evi lästert: "Du kaufst nur Sachen, die so wenig verkauft werden, dass nicht einmal die Verkäufer den Preis wissen !" Aber ich lasse mich nicht beirren, für umgerechnet zehn Euro wechselt die CD den Besitzer. Sie liegt dann irgendwo dazwischen, man kann sie in einem Stück anhören, aber nur ab und zu. Meiner Meinung nach hilft sie einem aber, sich in die Welt der einfachen Leute einzufühlen, die dieses Museum seinen Besuchern auftut.

Zuerst sehen wir uns aber die Ausstellungen im Gebäude an. Im Hauptteil befindet sich eine Trachtenausstellung, die von dem gleichfalls auf dem Museumsgelände beheimateten staatlichen Trachtenverein (Bunad- og Folkedraktrådet) mitgestaltet wurde. Es sind die mittelalterlichen Sonntagstrachten von jeweils Mann und Frau aus den verschiedenen Gegenden des Valdres - Tales dargestellt. Dann gibt es auch noch eine kleine Ausstellung über Norwegen, den zweiten Weltkrieg und den Widerstand gegen die Besatzer.

Nachdem wir uns das alles angeschaut haben, geht es auf das Freigelände. Wir haben zu den Eintrittskarten eine bunte Karte als Orientierungshilfe bekommen, auf der die Häuser eingezeichnet und nummeriert sind. Auf dem Gelände stehen über siebzig alte Häuser aus unterschiedlichen Zeitepochen. Sie wurden entweder erworben oder gelangten als Schenkung an das Museum. Jedes einzelne wurde an seinem ursprünglichen Platz sorgsam auseinandergenommen, bis hin zum letzten Nagel, und dann im Museum originalgetreu wieder aufgebaut. So geben sie ein Zeugnis über die Wohn- und Lebensbedingungen der letzten Jahrhunderte.

Auch die Entwicklung der Gehöfte, die Aufgaben der einzelnen Gebäude und ihre zweckdienliche Gestaltung ist zu erkennen. Die Norweger leben schon immer in Holzhäusern, in Blockhütten. Der Rohstoff Holz war immer verfügbar. Aber Häuser solcher Bauart sind wohl auch heute noch am beliebtesten, insofern hat sich nicht allzu viel geändert. Allerdings habe ich in dem Beschreibungsheft den schönen Satz gelesen: "Ab 1700-1800 wurden gehobelte Paneele und Profile als Hausverkleidung benutzt, damit die Blockhäuser äußerlich den gemauerten Häusern in anderen Ländern ähneln."

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Ein Vorratshaus von Høve - eines der ältesten Häuser, es steht unter Denkmalschutz.

Wir können nur teilweise in die Häuser hinein. In der Saison sind die meisten offen, in einem nachgestalteten Hofkomplex leben und arbeiten auch Leute wie in alten Zeiten. Das ist nun ausserhalb der Saison nicht der Fall, aber es ist trotzdem interessant. In die Häuser, die man nicht betreten kann, kann man durch die Fenster hineinsehen. Wir schauen uns die Häuser in der Reihenfolge der Nummerierung an, obwohl wir dadurch manche Strecken mehrfach gehen müssen. Man bekommt dadurch aber einen besseren Eindruck von den Veränderungen über die Zeit hinweg.

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An diesem Haus begeistert mich besonders der Einfallsreichtum bei der Konstruktion des Riegels.

Es beginnt mit einfachen Blockhäusern, die zwei Räume und eine offene Feuerstelle in der Mitte haben. Davon ist ein Beispiel im Museum vorhanden. Dann folgen die ab dem 17. Jahrhundert gebauten Häuser mit einem offenen Kamin und einem Schornstein, die drei Räume haben. Die Mehrzahl der Häuser stammen aus dieser und den nachfolgenden Epochen.

Besonders interessant finde ich, das es in den Häusern quasi eine standardisierte Einrichtung gab. Zwar war sie mal pompöser, mal einfacher, aber der Tisch stand in fast jedem Haus an demselben Platz, die Truhe, das Kastenbett und der Schrank auch. Selbst der Kamin war immer an derselben Stelle eingebaut.

Beeindruckend ist auch, wie eng die Menschen aufwuchsen und lebten und mit wie wenig eigenem, persönlichem Platz sie auskommen mussten. Alles spielte sich in der Stube ab, die gleichzeitig Schlafzimmer war, ein extra Schlafzimmer für den Hausherren und seine Frau gab es nur in größeren Häusern, wobei dann darin auch noch die Babys untergebracht waren. Der dritte Raum diente als Vorküche zur Bereitung des Essens. Erst im 18. Jahrhundert kam meist noch ein Obergeschoss mit zwei oder drei weiteren Zimmern hinzu.

Auch technische Details sind interessant. So finde ich, dass die mit einfachsten Mitteln aus Astgabeln gebaute Türverriegelung ein Meisterwerk ist. Zu einem funktionierenden Bauernhof gehörten neben dem Wohnhaus natürlich auch noch andere Gebäude, so z.B. Ställe, Scheunen, Korntrockenhäuser und Vorratshäuser. Spezielle, oft auch nur einmal in einem Dorf vorkommende Häuser sind Badehäuser, Wassermühlen, Backhäuser und Schmieden.

Der Riegel in der Vergrößerung.
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Der Riegel in der Vergrößerung.

In einem Stall hat mich besonders die Schlafstelle der Viehmagd beeindruckt. Man muss sich ein zweigeteiltes Stallgebäude vorstellen, im vorderen Raum wurden in Boxen mit Weidengeflecht-Bändern die Kühe angebunden. Im hinteren Bereich war ein Raum für Ziegen und Schafe, mit einem Podest rundherum, für die kleinen Zicklein und Schäfchen, damit sie nicht erdrückt wurden. Und über der Tür zwischen den Räumen, im Ziegenraum, in knapp zwei Meter Höhe, befand sich auf einer Art Plattform das Bett der Viehmagd.

Dass auch Norweger, trotz ihres Hangs zur Einsamkeit, von Zeit zu Zeit die Geselligkeit pflegen, wird durch ein großes Versammlungshaus dokumentiert, das auch heute noch genutzt wird. Hier fanden und finden Tanzabende, Versammlungen von Vereinen und ähnliches statt. Die jüngsten Gebäude im Museum sind ein komplettes Landwarenhaus mit Einrichtung und die erste Tankstelle aus Fagernes.

Auch die Aussagen in den Beschreibungen zu einigen Wohnhäusern, wie "es wurde noch bis 1955 als Wohnhaus benutzt" oder "es war bis 1960 das Altenteil des Altbauern, bevor es ins Museum kam" sind beeindruckend. Sie zeigen, dass diese Art zu wohnen nicht unbedingt viele Jahrhunderte zurückliegt, sondern bis in unsere Zeit praktiziert wurde. Natürlich hat sich in den letzten fünfzig Jahren viel geändert, wenn man aber über die Hochebenen wandert, dann findet man viele Hütten, deren Einrichtung genau der hier dargestellten entspricht.

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Der Blick ins Innere eines Wohnhauses. Die Einrichtung war damals schon "genormt". Hier ist alles für das Weihnachtsfest vorbereitet.
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Eine Fischerhütte aus Haldorsynøyn. Besonders imposant ist auch der Dachbewuchs.
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Die Hütte hat auf den beiden Seiten vom Gang ein Zimmer, im Keller konnte Fisch gelagert werden.
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Zu einer Hofanlage gehören auch Schweine. Besonders interessant ist auch die Bauweise der Zäune, wir haben diese in Norwegen öfter gesehen.
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Das Wohnhaus von einem Häuslerhof aus Fristadplass.
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Der Pferdestall des Häuslerhofes, alles ist in der ursprünglichen Hanglage wiederaufgebaut worden.
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Wo ist das nächste Haus?
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Ein zweistöckiges Vorratshaus von Bergji.
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Das Innere eines alten Landwarenhauses. Auch damals war es schon Poststation.
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In diesem Laden gab es alles.
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Die Landwarenhäuser waren oft die einzige Einkaufsmöglichkeit, die es in weitem Umkreis gab.
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Der Landhandel "Søvelheim" von außen.
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Die Fähre von Einag, damals noch handgetrieben, das bedeutet, sie wurde an einem Seil über den See gezogen.
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Zum Abschied noch ein Bild vom ältesten Haus - dem Vorratshaus aus Høre.
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Wir wollen unbedingt den ausführlichen deutschen Museumsführer haben.
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Auch Einkaufen muss hin und wieder mal sein.

Gegen halb drei haben wir uns alle Gebäude angesehen. Wir gehen noch einmal in die Rezeption. Dort gibt es ein dickes Heft zu kaufen, in dem die einzelnen Häuser beschrieben und jeweils Zusatz- und Hintergrundinformationen geliefert werden. Leider gibt es das Heft in der Auslage nur noch in Englisch, Französisch und Japanisch. Aber auf unsere Frage hin findet die nette Angestellte noch ein deutsches Exemplar.

Wir sind erschöpft, aber auch beeindruckt und sehr nachdenklich. Mit etwas Fantasie kann man sich das Leben in einem solchen Bauernhof vorstellen. Wir legen bei der anschließenden Fahrt nach Fagernes die neue CD ein, wir wollen noch einkaufen gehen. Als wir vor dem "Mini Preis Markt" parken, sehen wir gegenüber eine Bäckerei, in der es mehrere Tische gibt und Kaffee ausgeschenkt wird. Also trinken wir in Ruhe einen Kaffee, das ist jetzt das Richtige. Dann holen wir Brot, Fisch (Lachs), eine Flasche Bier und frische Weintrauben sowie die zwei unvermeidlichen Hennig Olsen - Eis.

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Wir haben uns entschieden, wir bleiben bis zum 5.9.

Nach dem Einkaufen geht es zurück ins Zelt nach Strand. Wir lassen es ruhig angehen, die neugekauften Bücher werden erst einmal gelesen, auch die Beschreibung von den Häusern, die das Gesehene noch einmal lebendig werden lässt. Dann beginnen wir, die Heimfahrt zu planen. Nach dem Durchspielen aller Möglichkeiten entscheiden wir uns, am Freitag früh loszufahren und eine Nacht im Hafen von Trelleborg zu übernachten. Die Fähre fährt Sonnabend früh, also sollten wir so über einen ausreichenden zeitlichen Puffer für unvorhergesehene Ereignisse verfügen.

Dann geht Evi die letzten zwei Nächte bezahlen, sie wird 200 NOK los, die Wirtin schreibt kurzerhand unsere Gesamtkosten für vier Tage auf den Beleg - so spart man einen Beleg in der Buchführung, auch wenn das Datum dann nicht stimmt. Eine Angelkarte will ich allerdings nicht mehr, denn ich habe nur noch wenige Blinker und es scheint sich auch nicht zu lohnen. Als Evi zurück ist, braten wir die fünfhundert Gramm Lachs, wir können zwar immer nur kleinere Stückchen zubereiten, aber es schmeckt hervorragend. Da das Wetter am Nachmittag besser, sogar noch einigermaßen sonnig geworden ist, fahren wir auch noch ein wenig mit dem Ally auf dem Strandefjorden herum.

In der Dämmerung gehen wir dann erst einmal abwaschen. Dabei nehmen wir den Fotoapparat mit, weil die Dämmerung eine wunderschöne hauchzarte Rosafärbung an den Himmel zaubert. Zum Abschluss des Tages setzen wir uns bei Gaslicht ins Zelt, ordnen Filme und Prospekte, unterhalten uns und trinken in aller Ruhe die Flasche Bier. Es wird spät, halb elf, wird sind beide müde, da bleibt nur eins - Nachtruhe.

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Sonnenuntergang am Strandefjorden - ein wunderschönes Schauspiel.
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Die Rosafärbung des Himmels sieht sehr schön aus.
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Auch dies muss sein - Evi beim Abwaschen.
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Aber ich helfe natürlich mit.

 

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