Vom Dürrenstein zum Seekofel - mit Kraxen an der Kette.
12.Urlaubstag - Mittwoch, 25.08.2004

Tag12, Bild1, 25.08.2004, 09:26 Uhr
Geduscht, Gefrühstückt, Sachen gepackt - wir sind bereit.

Wir stehen um sieben auf, gehen uns kurz waschen, dann gibt es gleich Frühstück. Mit uns sitzen wie gestern Abend die Österreicher, Ernst und die drei alten Damen im Gastraum. Nach einem beinahe überall gültigen ungeschriebenen Gesetz sitzen alle genau auf den gleichen Plätzen wie gestern. Die drei älteren Damen diskutieren leidenschaftlich, welche Route man gehen sollte. Wie wir mitkriegen, gehen die drei Klettersteige, keine ist unter fünfundsechzig Jahre alt!

Wir frühstücken ausgiebig, dann gehen wir bezahlen. Die zwei Übernachtungen und diverses Essen und Trinken kosten uns alles in allem einhundertvierzig Euro. Auch wenn der Komfort auf privaten Hütten meist besser ist als auf den Vereinshütten, auf den Privathütten werden schon stolze Preise verlangt! Dann packen wir unsere Sachen, zum Glück ist alles, was gestern so nass geworden war, schon wieder getrocknet. Wir machen die Kraxen erst leer und packen sie von Grund auf neu.

Die weitere Route haben wir gestern Abend festgelegt, nachdem wir uns wieder vertragen hatten. Evi hat schon zu Hause Interesse am Pragser Wildsee gehabt. Also werden wir in Richtung Pragser Wildsee und Seekofelhütte weiterwandern. Wir müssen dazu den Weg 3 gehen, er würde uns direkt zur Seekofelhütte führen, aber in der Mitte ist ein Stück als "Klettersteig" - Abschnitt gekennzeichnet. Wir fragen sicherheitshalber die Wirtin, was sie vom Weg 3 hält. Sie meint, den könnten wir locker gehen, sie ist diesen Weg vor Jahren mit einem Kleinkind unter dem Arm gegangen. Ehrlich, so richtig wohl ist uns beiden nicht. Wir haben schon zu oft von Einheimischen gehört: "Gar kein Problem!" Aber wir müssen uns ja erst unten an der Platzwiesenhütte wirklich entscheiden, da der Weg 3 erst dort beginnt.

Tag12, Bild2, 25.08.2004, 09:35 Uhr
Alles wie gestern, aber nach den abendlichen Erzählungen schauen wir genauer hin.
Tag12, Bild3, 25.08.2004, 09:35 Uhr
Die Gestaltung des Eingangsbereiches entspricht dem, was wir gestern gehört haben.

Also wandern wir die breite Straße hinunter zur Plätzwiesenhütte. Das Schwarzbier hatte gestern hier sehr gut geschmeckt. Wir treffen auf einen italienischen Kellner, der auf unsere Bitte nach einem "Mut"-Bier die Gegenfrage stellt: "Um diese Zeit?" Dann kriegen wir aber problemlos unser Bier, obwohl es erst morgens um zehn ist. Wir beraten noch ein wenig, studieren nochmals die Karte, aber zu Weg 3 gibt es keine ernsthafte Alternative. Also was soll's, umkehren können wir immer noch. Wir gehen los, den Weg 3 entlang. Er ist hier auf der Wiese auch noch ganz manierlich. Wir kommen durch ein Stück Wald, hier gibt es auch einen kleinen Bach. Dann geht es im weiten Bogen nach rechts um das Bergmassiv der Hohen Gaisl herum, wir hätten den Weg eher weiter links vermutet. Dann werden die Bäume spärlicher, der Weg wird steiniger und beginnt anzusteigen.

Tag12, Bild4, 25.08.2004, 10:26 Uhr
Morgens halb elf ist noch nicht viel los im Berggasthof Plätzwiese.
Tag12, Bild5, 25.08.2004, 10:27 Uhr
Wir gehen den Weg 3, der gegenüber dem Berggasthof in die Wiesen abzweigt.
Tag12, Bild6, 25.08.2004, 10:27 Uhr
Es ist zwar bewölkt und ein wenig windig, aber nicht kalt. Ab und zu lugt auch die Sonne hervor.
Tag12, Bild7, 25.08.2004, 10:27 Uhr
Auch ich bin dem Wetter gemäß angezogen. Da wir die Akkus auf der Hütte geladen haben, bleibt der iSun in der Kraxe.

Nachdem der Tag mit einem kleinen Abstieg von hundert Höhenmetern von der Dürrensteinhütte (2050m) zur Plätzwiesenhütte (1950m) begonnen hat, kommt nun der Anstieg zur Gaiselleite (2350), sozusagen zum Warmwerden. Nachdem wir sie passiert haben, geht es relativ gerade an einem Steilhang entlang, rechts von uns geht es steil hinunter, der Weg ist schmal und erfordert Aufmerksamkeit.

Tag12, Bild8, 25.08.2004, 10:28 Uhr
Der Blick zurück zu Hotel, Gasthof und Dürrenstein. Gestern um diese Zeit war das Tal mit Wolken gefüllt, heute gibt es keine. Irgendwie ist das schon ein wenig ärgerlich.
Tag12, Bild9, 25.08.2004, 10:36 Uhr
Aus dieser Perspektive ist der Abschiedsblick über die Plätzwiese zur Dürrensteinhütte hin besonders eindrucksvoll. Die Wiese wirkt ein wenig wie das Teletapi - Land.
Tag12, Bild10, 25.08.2004, 11:20 Uhr
Wir sind ein Stück den "Gumpalboden" [Campale] hinaufgestiegen und können von hier aus Hotel und Berggasthof noch einmal sehen.
Tag12, Bild11, 25.08.2004, 11:24 Uhr
An vielen Stellen lädt in den Dolomiten eine Bank zur Rast ein.
Tag12, Bild12, 25.08.2004, 11:41 Uhr
Es wird felsig und die Anstiege nehmen zu. Wir bewegen uns in Richtung Schlechtgaisl [La Crodaccia, 2531m], um deren Fuß wir herumwandern.
Tag12, Bild13, 25.08.2004, 11:52 Uhr
Der Gipfel der Schlechtgaisl rechts hüllt sich in Wolken, das Gestein hat hier eine auffällige rote Färbung.
Tag12, Bild14, 25.08.2004, 12:25 Uhr
Nun haben sich die Wolken am Gipfel der Schlechtgaisl doch noch verzogen.
Tag12, Bild15, 25.08.2004, 12:26 Uhr
Die Färbung des Steins ist auffällig, in den Nischen und Tälern, wo die Sonne nie hinkommt, hat sich Eis vom Winter gehalten.
Tag12, Bild16, 25.08.2004, 12:34 Uhr
Unser Blick geht zum fernen Seekofel. Der Weg führt um die Gaiselleite [2358m] in der Bildmitte herum.

Wir haben den Berg Gaiselleite passiert und sind um den ersten Bogen gewandert. Der Weg führt auf der gleichfalls Gaiselleite genannten Hochebene weiter, bis er dort vorn um den Fels führt. Dort müsste der Kletterabschnitt sein - die Spannung steigt sehr an.

Tag12, Bild17, 25.08.2004, 11:52 Uhr
Das nächste Stück Weg. Wo beginnt die Kletterpassage?
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Tag12, Bild18, 25.08.2004, 12:57 Uhr
Laut Karte müsste der schwere Teil an dieser Spitze beginnen. Die Spannung steigt. Folgt man dem Weg auf der anderen Seite mit den Augen, sieht man unser nächstes Ziel, die Rossalmhütte [M ga Cavallo, 2142m].
Tag12, Bild19, 25.08.2004, 13:12 Uhr
Links von uns weiden Kühe.
Tag12, Bild20, 25.08.2004, 13:13 Uhr
Evi wirkt irgendwie nervös.

Dann kommen wir an einem Hügel vorbei, auf dem hoch über uns zwei Kühe ruhen und wie Napoleon und sein General auf uns herabschauen - das ist allemal ein Foto wert. Durch die Kühe zu einem kurzen Halt verleitet, schauen wir uns um. Plötzlich sagt Evi ganz aufgeregt, auf dem einen Kilometer entfernten, hinter uns liegenden Grat links von der Schlechtgaisl sei ein Steinbock mit riesigen Hörnern! Ich nutze alles, was die Fuji - Kamera an Vergrößerung bietet und es gelingt mir wirklich, den Steinbock brauchbar auf den Chip zu bannen! Zwei Bilder gelingen! Wir haben auf der Karte nachgemessen, er war etwa einen Kilometer entfernt! Wir nehmen das als gutes Omen. Wir wandern stolz weiter, aber bald gewinnen die Sorgen wieder die Oberhand, noch haben wir ja die schwierige Kletterstelle nicht passiert. Da Evi letztens geäußert hat, dass es ihr leichter fällt, wenn Sie das Gefühl hat, einem anderen über eine schwierige Stelle helfen zu müssen, übertreibe ich meine eigenen Bedenken ihr gegenüber sogar noch etwas.

Tag12, Bild21, 25.08.2004, 13:17 Uhr
Die gehörnten Wächter der Berge schauen auf uns herab.
Tag12, Bild22, 25.08.2004, 13:18 Uhr
Vom Höhenzug am Fuß der Hohen Schlechtgaisl [Crodaccia Alta, 2967m] schaut ein Steinbock zu uns herüber.

Wir kommen an eine Stelle, wo der Weg um einen Felsvorsprung nach links verschwindet und nicht einsehbar ist. Hinterher waren wir sicher, wir haben es beide geahnt oder sogar gewusst. Es geht etwas hinunter, unten ist eine sandige Stelle auf dem Weg. An der Wand ist ein Ring befestigt, durch den eine Kette verläuft und gleichfalls nach links um den Felsen verschwindet. Ohne groß zu zögern, anzuhalten oder zu überlegen, greift Evi nach der Kette und es geht los, sozusagen aus der Bewegung heraus. Wir tasten uns um den Vorsprung herum, die Kette immer fest in der Hand.

Jetzt sehen wir auch, wie der Weg weitergeht. Er schlängelt sich an der Felswand entlang, soweit wir sehen können, mit einer Kette gesichert. Auf dem ersten Abschnitt geht es direkt rechts neben dem Weg steil abwärts, es sind mehrere hundert Meter. Weiter hinten ist rechts erst ein flacherer Abschnitt, bevor es dann steil ins Tal hinunter geht.

Aber wir haben nur einen winzigen Augenblick verharrt, es geht gleich weiter. Wir haben keine Zeit, über einen Fehltritt nachzudenken, der mit einem freien Fall enden könnte und das ist gut so. In der rechten Hand die Wanderstöcke, die linke Hand an der Kette, die Augen fest auf den Weg, auf die Füße und mutig ausgeschritten. Etwas anderes bleibt nicht. Dabei sprechen wir miteinander, das macht Mut.

Es geht ein ganzes Stück an der Kette entlang, wir haben uns fast schon an den Weg gewöhnt. Doch dann endet die Kette, ohne dass der Weg ungefährlicher geworden wäre. Zwar würde man hier nicht mehr gleich hunderte Meter hinabstürzen, da es vorher noch ein absatzartiges Felsstück mit geringerer Schräge gibt. Man würde also einige Meter hinabstürzen und auf eine Art 45° - Fläche fallen, auf der man noch die Chance hätte, sich festzuhalten... Wir gehen einfach weiter und halten uns an Felsvorsprüngen fest, so geht es auch.

Der Weg verläuft in mehreren Bögen um den Felsen, abschnittsweise gibt es Ketten, dann wieder Stahlseile. Auch die Stockführung haben wir mittlerweile optimiert, man behält den Stock waagerecht in der Hand und greift zusätzlich um die Kette oder das Seil. Die Wanderstöcke zu verpacken bringt aber auch nichts, da wir sie bei einigen sandigen Abschnitten brauchen, um mit den schweren Kraxen das Gleichgewicht zu halten und der auf dem lockeren Sandweg erhöhten Rutschgefahr zu begegnen.

Es gibt aber auch einen gewissen Gewöhnungsfaktor, wir sprechen die ganze Zeit miteinander, ohne in der Konzentration auf den Weg nachzulassen. Wir stellen fest, dass es wohl doch nicht so schlimm wird, wie wir gedacht hatten. Es ist natürlich so, insbesondere mit den schweren Kraxen, dass man keinen Fehler machen darf. Ein Fehltritt, ein Wegrutschen, das war's dann. Man muss sich seiner Mittel sicher sein.

Und dann kommt doch noch eine Prüfung. Es ist eine kitzlige Stelle, keine Kette, kein Seil, der Weg verläuft nach links um den Felsen, der sich an dieser Stelle zu einem beachtlichen Vorsprung über dem Weg herauswölbt. Dazu ist der Weg gerade hier sehr schmal, sandig und nach rechts abschüssig. Seitlich kommen wir mit den Kraxen an dem Vorsprung nicht vorbei, Evi nicht und ich erst recht nicht.

Wir müssen uns deshalb mit dem Bauch zum Felsen drehen, die Stöcke in der Hand halten und uns mit den Fingerspitzen in den Vorsprüngen des Felsens festhalten. Dann schieben wir uns, mit dem Bauch langsam am Gestein entlang rutschend, langsam Stück für Stück um den Vorsprung. Das gibt zügig Adrenalin. Nach dieser Stelle wird es dann endgültig besser mit dem Weg, das Schwierigste ist überstanden. Der Kletterabschnitt des Weges 3 ist gar nicht so lang, vielleicht insgesamt vierhundert Meter, aber die sind schon anstrengend. Aber nachdem wir es geschafft haben, es ist machbar! Wir würden es auch mit Kraxen wieder gehen.

Wir wandern ein Stück weiter, bis wir an eine breite Stelle kommen, hier ist erst einmal Pause angesagt. Kaum haben wir die Kraxen abgesetzt, da kommen vier Männer vorbei, die mit uns herumflachsen und dafür prompt von Evi auf die bereitstehenden Ketten und Gefahren vorbereitet werden. Wir genehmigen uns etwas zu Trinken, froh und erleichtert, diesen Teil der Strecke hinter uns zu haben. Dabei beobachten wir die Männer auf ihrem Weg. Alles geht glatt, sie schaffen es locker, wir machen trotz der großen Entfernung auch ein paar Bilder.

Tag12, Bild23, 25.08.2004, 13:49 Uhr
Rückblick auf die schwierige Strecke.
Tag12, Bild24, 25.08.2004, 13:49 Uhr
Diese Stelle war für uns wohl die heikelste.
Tag12, Bild25, 25.08.2004, 13:59 Uhr
Nachdem der Weg nun wieder breiter ist, haben wir uns eine Pause verdient.
Tag12, Bild26, 25.08.2004, 14:01 Uhr
Haben die vier Männer Schwierigkeiten?
Tag12, Bild27, 25.08.2004, 14:05 Uhr
Bis jetzt sieht es ganz gut aus.
Tag12, Bild28, 25.08.2004, 14:08 Uhr
Sie meistern auch den Rest.
Tag12, Bild29, 25.08.2004, 14:09 Uhr
Und auch sie haben es geschafft.
Tag12, Bild30, 25.08.2004, 14:31 Uhr
Wir schauen in Richtung Norden ins Tal hinunter - zum "Kaserle".
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Nach der kleinen Verschnaufpause wandern wir über den nun wieder bequemen Weg 3 in Richtung Rossalm. Diese Rossalm liegt in einem kleinen und engen Tal und ist sehr romantisch. Hier wohnt ein Original mit seiner Familie, sie betreiben hier eine Jause mit angeschlossenem Voll-Bauernhof. Ob wir alle vorhandenen Tiere gesehen haben, wissen wir nicht, aber gesehen haben wir Hasen, Hühner, eine Kreuzung zwischen Wild- und Hausschwein, den Hund Lissy und Truthennen. Alle laufen mehr oder weniger frei auf dem Grundstück herum.

Tag12, Bild31, 25.08.2004, 14:31 Uhr
Der Blick zurück zeigt, die Bewölkung nimmt wieder zu.
Tag12, Bild32, 25.08.2004, 14:39 Uhr
Evi schaut sich die Sache erst einmal an. Hinter ihr der Dürrenstein, heute ohne jede Wolke.
Tag12, Bild33, 25.08.2004, 14:39 Uhr
Die Rossalmhütte liegt vor uns. Der Berg links ist der Fosses Riedl [Forc. Cocodain, 2463m].
Tag12, Bild34, 25.08.2004, 14:39 Uhr
Bei der Rossalmhütte handelt es sich um eine richtige kleine Farm.

Es ist eine kleine Hütte, der Besitzer, gleichzeitig auch Wirt, ist sehr freundlich. Viele liebenswürdige Details wie z.B. der Briefkasten zeugen von der Erfindungsgabe der Besitzer. Für uns gibt es nach der Klettersteig - Episode - Gott sei Dank, wir haben's unbeschadet geschafft - je ein Bier und zünftige Eier mit Speck für Evi und Eier mit Bratkartoffeln für Willi. Es schmeckt uns hervorragend.

Tag12, Bild35, 25.08.2004, 14:43 Uhr
Auf dieser Farm gibt es so manches Detail zu entdecken.

Wer auch immer in die Nähe der Rossalm kommt - geht an der Jause vorbei, genießt einen Teller Eier mit Bratkartoffeln, trinkt ein Bier und unterhaltet Euch mit dem Wirt. Er hat keine Straße hier herauf, nur einen Weg. Hier gibt es keine Sehenswürdigkeiten, außer der kleinen Farm ist da "nur" ein wunderschönes Tal und jede Menge Optimismus. Ein Besuch und ein Hüttengeld helfen dem Wirt, der ein Lebenskünstler ist, sicher. Übrigens, so billig wie hier waren Bier und Essen auf keiner anderen Hütte oder Jause in diesem Jahr. Wir haben das auch schon vor zwei Jahren bei dem alten Mann am Hirzer erlebt, keine richtige Verbindung ins Tal, in einfachen und sicher beschwerlichen Verhältnissen lebend, aber mit niedrigen Preisen!

Tag12, Bild36, 25.08.2004, 14:44 Uhr
Es geht schon am Eingang mit dem lustigen Briefkasten los.

Die Freiluft - Gaststätte Rossalm hat drei Holztische mit Bänken. Am Tisch neben uns sitzt ein junges Paar, wir kommen schnell ins Gespräch. Es entspinnt sich eine lustige Unterhaltung, über Tirol, die Berge, das Schöne, die Gefahren und den Leichtsinn. Dann erzählt Evi von einem Mann, den wir vor zwei Jahren am Latzfonser Kreuz gesehen haben. Er war barfuss auf die Berge gestiegen. Daraufhin schauen sich die beiden an und lachen. Er erzählt uns, dass er aus Latzfons stammt und da auch wohnt.

Tag12, Bild37, 25.08.2004, 15:50 Uhr
Einige Tiere laufen frei umher, andere sitzen in Ställen und haben automatische Tränken.

Der "Barfuss - Bergsteiger" stammt auch aus Latzfons, er steht sogar im Guiness - Buch der Rekorde. Er ist wohl schon tagelang barfuss durch die Berge gewandert, hinauf und hinab gestiegen, um den Rekord zu schaffen, er lebt quasi dafür. Nachdem wir sogar "gemeinsame Bekannte" haben, gibt es noch viel zu erzählen. Wir plaudern über eine Stunde, die Pause tut uns nach dem Fünf - Stunden - Marsch gut. Ich zeige ihm auch die Bilder vom Steinbock und er bestätigt mir, dass man ganz selten an einen Steinbock herankommt, da diese sehr scheu sind.

Doch dann müssen wir aufbrechen, es liegt noch ein ganzes Stück Weg vor uns. Unsere neuen Bekannten beruhigen uns, der Weg bis zur Seekofelhütte ist nicht schwer. Ja, nur dass die Einheimischen eine andere Vorstellung von schwer haben als wir... Mit einem fröhlichen Gruß werden wir verabschiedet. Der letzte Abschnitt bis zur Seekofelhütte liegt nun vor uns, wir haben auf der Karte alles genau studiert. Evi schätzt etwa drei Stunden, dann müssten wir es geschafft haben. Wir marschieren los, es geht etwa einhundert Meter einigermaßen bergauf, wir haben beide nach der langen Pause erst einmal Mühe, in Gang zu kommen.

Tag12, Bild38, 25.08.2004, 16:17 Uhr
Dort hinauf zum "Walsche Platz" [Campo Latino] müssen wir. Der Berg links ist der Kühglättenpingl [2310m].
Tag12, Bild39, 25.08.2004, 16:26 Uhr
Wir sind oben, neugierig beobachtet von einigen Kühen.
Tag12, Bild40, 25.08.2004, 16:31 Uhr
Es bewölkt sich immer mehr und wir können schlecht abschätzen, wie lange wir noch brauchen, deshalb ist Evi ein wenig ungeduldig.
Tag12, Bild41, 25.08.2004, 16:38 Uhr
Dort wollen wir hin, zum Seekofel. Aber was erwartet uns in dem Tal dazwischen?

Aber dann erreichen wir das nächste Tal, Wolken wehen darüber hinweg, es ist kühler geworden und ab und zu treffen uns ein paar Tropfen. Das Tal ist ein riesiger Kessel, rundherum bilden Berge den Rand. In der Mitte gibt es jede Menge zerklüftete kleinere Hügel und Felsen mit kleinen An- und Abstiegen, durch die der Weg 3 verlaufen soll. Der Weg 4 dagegen führt auf der linken Seite auf den Kamm der Berge, dort oben ist es sehr exponiert und man ist Wind und Wetter direkt ausgesetzt.

Wir machen kurz Halt und schauen noch einmal auf die Karte, weil wir in Bezug auf den besseren Weg unsicher sind. Wir entscheiden uns für den Weg 3 durch das Tal und die "Ofen"-Scharte, der alternative Weg 4, der links herum über den Grat zur Seekofelhütte führt, erscheint uns angesichts des Wetters und der ohnehin fehlenden Fernsicht als nicht so attraktiv.

Nun haben wir also noch einen Anstieg von zweitausend auf zweitausendfünfhundert Meter vor uns. Noch hält das Wetter, obwohl uns ab uns zu ein paar Tropfen treffen. Der Weg 3 ist bequem, obschon es erst einmal ein Stück steil abwärts, dann geht es gerade - kleine Anstiege wechseln sich mit kleinen Abstiegen ab, in einem interessanten, locker bewachsenen Tal. Wir sind nun schon über sieben Stunden mit der Kraxe unterwegs, aber noch sind wir beide topfit. Nur die Erkältung und der ständige Husten machen uns zu schaffen.

Tag12, Bild42, 25.08.2004, 16:48 Uhr
Der Seekofel hüllt sich in Wolken.
Großes Bild mit Bergmarkierungen laden.
Tag12, Bild43, 25.08.2004, 17:04 Uhr
Der Weg 3 ist abwechslungsreich.

Nachdem wir die Hochebene durchquert haben, kommen wir in die Nähe der Scharte, die den Namen "Ofen" trägt. Wir steigen entlang der Ofenmauer durch ein Geröllfeld empor, auf dem alle Steingrößen vertreten sind, im Stillen um Trockenheit bittend, Regen wäre jetzt das Letzte. Es ist mittlerweile sehr kalt, so um die 10°C. Durch den Einschnitt in die Berge über uns, den Ofen, weht uns ein scharfer, kalter, schneidender Wind entgegen. Wenn jetzt auch noch Regen hinzukäme...

Tag12, Bild44, 25.08.2004, 17:22 Uhr
Nun sind wir auf dem Weg 1, dem "Dolomitenhöhenweg" [Ala Via Dolomiti]. Wir sind am Anfang des "Ofen Forno" - "nur noch" zweihundert Meter Anstieg.
Tag12, Bild45, 25.08.2004, 17:22 Uhr
Der Berg "Ofenmauer" links von uns besteht aus waagerechten Schichten.
Tag12, Bild46, 25.08.2004, 17:35 Uhr
Es geht über Steine hinauf zur Ofenscharte.
Tag12, Bild47, 25.08.2004, 17:22 Uhr
An der Wand der "Ofenmauer" entdecken wir einen zu Stein gewordenen Kletterer. Hat er sich mit den Berggeistern angelegt und den Kürzeren gezogen? Muss er nun ewig klettern?

Ich habe auf der Karte gesehen, dass auf der anderen Seite der Scharte gleich die Seekofelhütte liegt. Wenn ich diese Erkenntnis Evi nicht ständig mitteilen würde, wären wir schon völlig verzweifelt. Dann sind wir oben, durchgefroren, immer mal hustend und erblicken als erstes ein Schild - "5 min bis zur Seekofelhütte" steht drauf! Wir drehen uns nach links, denn dahin zeigt das Schild und da ist sie auch schon zu sehen!

Tag12, Bild48, 25.08.2004, 18:09 Uhr
Oben an der Scharte steht diese Jungfrau Maria. Der Seekofel hüllt sich zunehmend in Wolken, wie weit ist es noch bis zur Hütte?
Tag12, Bild49, 25.08.2004, 18:09 Uhr
Der Wegweiser weist uns dort hinunter.
Tag12, Bild50, 25.08.2004, 18:09 Uhr
Und dort ist die Seekofelhütte [Rif. Biella alla Croda del Becco, 2327m] - Gott sei Dank näher, als wir gedacht haben. Der kleine Berg rechts von ihr ist auf der Karte nicht bezeichnet.

Der Wind wirft einen hier oben fast um, er trifft uns ungebremst, aus dem riesigen Tal vor uns kommend. Die Wolken ziehen direkt über unseren Köpfen entlang. Und jetzt, so als hätte das Wetter wegen uns gewartet, füllt sich die "Ofenscharte" mit einer der Wolken, es ist wie dichter Nebel. Wir können den Weg, den wir gekommen sind, kaum noch sehen. Rechts von uns steht eine Mini - Kapelle der Jungfrau Maria, aber wir nehmen uns jetzt nicht die Zeit, sie näher zu besichtigen, denn es wird langsam schon dunkler und die Wolken werden immer dichter. Mit neuen Kräften, die der Anblick der Seekofelhütte freigesetzt hat, steigen wir den steilen Schotter - Pfad zur Hütte hinunter.

Tag12, Bild51, 25.08.2004, 18:10 Uhr
Es ist schon nach achtzehn Uhr, hoffentlich bekommen wir Quartier, sonst müssen wir unser Zelt bei der Hütte aufschlagen.
Tag12, Bild52, 25.08.2004, 18:17 Uhr
Was erwartet uns hier? Der Blick zurück zeigt, das die Scharte im Nebel verschwunden ist. Ich habe es nicht fotografiert, aber wir sind gerade noch durchgeschlüpft - jetzt könnten wir die Hütte von oben nicht mehr sehen.

Wir drehen eine Runde um die ganze Hütte, wir sind zu durchgefroren, um den Eingang gleich zu finden. Und dann sind wir drin, warm, mollig, gemütlich, es herrscht ein geschäftiges Treiben. Gleich wenn man eintritt, geht man auf das große Schuhregal zu, rechts davon gibt es eine Toilette. Hinein geht es links herum, durch eine Zwischentür. Wir stehen in der Diele, rechts von uns führt eine uralte Holztreppe in die oberen Stockwerke, gerade hin geht es in die Gaststube. Direkt vor der Gaststube geht es nach links in die Küche, hier herrscht rege Betriebsamkeit.

In der Hütte ist alles mit Holz gebaut, dass sicher schon sehr alt ist. Wenn man so aus der Kälte in diese urige Hütte kommt, warm ist es, gemütliches gelbliches Licht strahlt das uralte Holz an, das hat schon eine Art Zauber. Man fühlt sich gleich geborgen. Hoffentlich hat man hier für uns Quartier. Wir gehen also hinein in die Gaststube. Hinter dem Tresen stehen zwei junge Mädels. Sie können nicht fließend Deutsch, wir nicht Italienisch, aber die Verständigung gelingt uns locker. Einen Schlafplatz, ja, es ist noch was frei. Wir können ins Bettenlager im zweiten Stock einziehen, es ist das Zimmer Nummer 9. Sehr gut.

Also beziehen wir zuerst einmal Quartier. Es geht zurück zum Schuhregal, wo unsere Schuhe übernachten werden. Dann wandern wir mit unseren Kraxen die Treppe hinauf in den zweiten Stock. Ich habe echt ein wenig Angst, durch die Treppe zu sausen, weil die Stufen unter meinem Gesamtgewicht nachgeben. Die ganze uralte Treppe quietscht und knarrt, außerdem müssen wir uns an einigen Stellen bücken, um hindurchzupassen. Aber die Angst ist unbegründet. Im ersten Stock befindet sich an der Treppe der Wasch- und Toilettenraum. Dann geht es weiter in den zweiten Stock, hier gelangen wir in einen großen Vorraum, von dem aus es in verschiedene Zimmer geht. Bei Bedarf kann auch noch ein Notbett von der Wand geklappt werden.

Raum 9 ist ein etwa drei Meter tiefer und zehn Meter breiter Raum. Durch den kompletten Raum zieht sich an der Außenwand ein riesiges Doppelstockbett, mit einem Meter Gang davor. Leider ist von den beiden Glühlampen, die vielleicht eine Leistung von vierzig Watt haben, eine defekt. So ist es in der Raum 9 ziemlich duster. Uns stört das nicht, wir haben ja unsere Stirnlampen. In ihrem Schein bereiten zuerst den Schlafplatz vor, wir schlafen heute beide ganz oben unter dem Dach an der Außenwand. Wir haben uns für die beiden Schlafplätze oben links entschieden. Die für vielleicht zehn Leute ausreichende Schlaffläche ist nicht unterteilt, es liegt einfach Schlafsack neben Schlafsack. Direkt über unseren Köpfen gibt es ein kleines, vielleicht dreißig Zentimeter breites und fünfzig Zentimeter hohes Fenster, durch dass wir in Richtung Seekofel blicken können. Jetzt ist es allerdings draußen schon dunkel.

Tag12, Bild53, 25.08.2004, 19:00 Uhr
Der hintere Teil des Bettenlagers, in dem wir die Nacht verbringen werden.

Unsere Schlaflager sind gesichert, nun geht es zum Essen, wir haben beide trotz der Rossalm Hunger. Die Gaststube unten ist gut gefüllt, aber an einem Tisch, an dem ein Rentner - Ehepaar sitzt, ist noch Platz für uns. Auf der anderen Seite des Raumes sitzen auch die acht Österreicher, die wir ja schon von der Dürrensteinhütte her kennen.

Wir sitzen auf den alten Holzbänken, jeder hat ein Sitzkissen. Über der Bar hat Evi mehrere Flaschen entdeckt, die in einer Art Flaschenregal waagerecht eingeordnet sind und die unterschiedliche Sorten Grappa enthalten. Da Evi Grappa - Fan ist, hat sie die Hütte erst recht in ihr Herz geschlossen. Es herrscht ein lebhaftes Treiben in der Stube und es ist schön warm. Hier fühlt man sich einfach wohl. Evi bestellt sich eine Minestrone, ich entscheide mich für zwei Würstel mit Brot. Dazu nehme ich ein Schwarzbier, während Evi ein Hefeweizen trinkt.

Tag12, Bild54, 25.08.2004, 19:00 Uhr
Die beiden Liegeplätze oben sind unsere. Das kleine Fenster ist außen mit einem hölzernen Laden versehen.

Mit unseren Tischnachbarn entspinnt sich schnell eine angeregte Unterhaltung. Wir tauschen uns aus, wo wir überall schon waren und was wir erlebt haben. Dann reden wir über die Wege hier, wir geben und erhalten eine Menge Tipps. Die beiden wollen morgen früh nach Fanes weiterwandern. Sie raten uns, wenn wir noch bleiben wollen, ihr Zimmer zu mieten. Es zählt vom Preis her auch als Lager, hat aber nur zwei Betten und ist extra abgeteilt - eine Art Luxus - Appartement.

Nachdem sich unsere Tischnachbarn nach oben begeben haben, sie wollen ja morgen zeitig los, schaut sich Evi die bisher gemachten Fotos an, es sind etwa eintausend. Ich schreibe derweilen den Tagesbericht. Evi probiert auch einige der Grappas aus, es werden drei, Kümmel, Anis, Kräuter, ich bleibe dagegen lieber beim Bier. Ich lese Evi meinen Text vor, dann unterhalten wir uns noch ein wenig. Erstaunlicherweise haben wir in der Hütte D2-Netz, wenn auch nur schwach. Ich verschicke also einige SMS und von meiner Schwester erhalte ich eine. Ihr Rechner, den ich vor dem Urlaub neu gemacht habe, funktioniert. Rechner ? Was ist das?

Dann reden wir über morgen. Wir wollen auf den Seekofel steigen und wenn noch genügend Zeit sein sollte, ein wenig herumwandern. Dann müssen wir aber die nächste Nacht auch noch hier verbringen. Also geht Evi vor zum Tresen, erstens muss sie sich den Grappa anschauen, zweitens macht sie auch gleich unsere morgige Übernachtung klar. Der Tipp von den älteren Herrschaften war Gold wert, wir können tatsächlich die Luxus-Suite ergattern!

Wir fühlen uns wohl, es ist behaglich, viele lustige Gäste sind hier, die Hüttenbesatzung ist bunt gemischt vom Opa bis zu den jungen Mädchen, die die Theke schmeißen und uns geht es soweit gut. Nur der dauernde Husten und die Halsschmerzen, die wir beide haben, machen uns ein wenig Sorge. Wir sind heute sehr müde, deshalb geht es schon halb zehn waschen und dann gleich ins große Doppelstock-Bett.

 11.Tag 
Vom Dürrenstein zum Seekofel - mit Kraxen an der Kette.
12.Urlaubstag - Mittwoch, 25.08.2004
 13.Tag