In dieser Nacht begann es, erst ein ganz leises Tap - Tap - Tap, dann immer stärker, bis es nur so auf unser Zelt trommelt - es regnet! War es gestern Abend kühl und bewölkt, so ist es jetzt nass. Jetzt wird uns auch die Aussage des Zeltplatz-Chefs klar: Es hat in den letzten Tagen öfters geregnet. Na ja, vielleicht hört es ja bald wieder auf...
| 4. Tag, Bild 1 Nach dem Regen auf der feuchten Wiese - das Boot ist schon fertig, nun ist das Angelzeug dran.
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Hat es leider nicht getan. So gehen wir halb neun im Regen zu den Sanitäranlagen und duschen. Die Berge und der Fjord sind in dicke Wolken gehüllt, aus denen es mal stärker, mal schwächer nieselt. Grund genug, ein ausgedehntes und gemütliches Frühstück im Zelt zu zelebrieren. So gegen zehn Uhr wird der Regen weniger, die Wolken reißen teilweise auf und eine halbe Stunde später scheint die Sonne. Hervorragend, wir bauen in aller Ruhe unser "Ally" - Boot auf und bereiten das Angelgerät vor. So wird es Mittag, Evi kocht Reis aus der Büchse mit Butter und Würstchenscheiben. Es schmeckt gut.
| 4. Tag, Bild 2 Die Wolken hängen tief und es regnet hin und wieder..
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Während wir essen, ziehen sich die Wolken wieder zu und es beginnt erneut zu regnen. Evi leidet immer noch unter Kopfschmerzen, aber auch ich bin ziemlich müde. Die letzten Tage und die Anreise waren stressig, das Wetter tut wohl ein Übriges - wir beschließen, ein wenig Mittagsschlaf zu halten.
Und es hat funktioniert, als wir halb vier aufwachen, regnet es erst einmal nicht mehr. Wir kochen uns noch einen Kaffee, dann geht es endlich los - wir tragen das Ally zum Steg hinunter.
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Zuerst paddeln wir ein Stück gemeinsam. Der Fjord liegt majestätisch unter tiefen Regenwolken, es ist ein wenig duster, aber dafür völlig windstill. Das Boot gleitet fast geräuschlos über das Wasser, es ist eine geniale, unwirkliche Stimmung. Durch die Wolken wirkt unsere Umgebung, als wäre sie in Watte eingepackt. Auf der anderen Seite des Fjordes fahren die Fähren scheinbar lautlos aufeinander zu.
Wir erkunden "unsere" Bucht in beide Richtungen. Nach einer Stunde kommen zu Evis Kopfschmerzen noch Beschwerden im linken Ellenbogen hinzu. Sie kann den Arm zwar belasten und auch paddeln, aber bestimmte Bewegungen verursachen Schmerzen. Nach unserer Reise erfährt Evi beim Arzt, das es sich um einen sogenannten "Tennis - Arm" handelt, eine Gelenkentzündung, die als Folge monotoner Bewegungen auftritt. Wir ahnen schon, das diese Schmerzen unser Urlaubsprogramm durcheinanderbringen können, paddeln zum Steg und Evi steigt aus. Sie geht zum Zelt und legt sich noch ein wenig hin, im Schlafsack ist es kuschelig warm, der Regen tropft ganz leise aufs Zelt, der Fluss rauscht, die Luft ist klar, feucht und kühl, man schläft hervorragend...
| 4. Tag, Bild 5 Evi ist auf dem Weg zum Steg und will schauen, was ich so mache. Noch kann sie mich nicht sehen, aber dicke Wolken schrammen die Berge entlang.
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Ich dagegen will noch ein wenig angeln. Mein Bruder hatte mich am letzten Tag vor unserer Abreise darauf gebracht, das man im Fjord hervorragend fischen kann. In Norwegen ist das Angeln im Meer und in den Fjorden kostenlos, während für die Binnengewässer mindestens ein Angelberechtigungsschein gekauft werden muss. Als Jugendliche waren wir sehr viel angeln, jetzt fehlt uns allen die Zeit und außerdem ist das Hobby in Deutschland so teuer geworden, dass es unter Luxus einzustufen ist. Aber bei meinen Eltern stand noch eine Menge "Angelzeug" von uns drei Brüdern. Also wurde schnell sortiert und ausgewählt. Drei stabile Vollglas-Angelruten, mehrere Rollen, ein Unterfangkescher und eine Menge Kleinzeug wie Blinker und Haken waren schnell eingepackt. Dann noch ein kleines Gespräch mit meinem Bruder über Fischarten und Angelmethoden, das muss reichen als Vorbereitung.
| 4. Tag, Bild 6 Da auf dem Fjord ist ja der einsame Paddler mit seinem Kanadier.
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Da ich noch nie im Meer oder in einem Fjord angeln konnte, habe ich einige Anfangsschwierigkeiten. Wie tief ist es hier? Welche Methoden sollte man anwenden? Einige Tipps habe ich von meinem Bruder, ich entscheide mich fürs Blinkern. Für alle Nichtangler: Dabei versucht man mit einem Kunstköder ("einem Stück Blech") einen kleinen, kranken Fisch nachzuahmen, der die großen Fische zum Zuschnappen reizt. Dazu muss man den Köder auswerfen und dann langsam wieder einziehen, damit sich die typischen Taumelbewegungen ergeben. Wenn man das mal vier Stunden am Stück praktiziert hat, weiß man, dass Angeln auch anstrengend sein kann.
| 4. Tag, Bild 7 Auf dem Weg zum Steg kommt man an dem Schild vorbei, das uns die Richtung zum Zeltplatz gewiesen hat.
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Eine Abart des Blinkerns ist dann das "Pilkern", eine Art Tiefseeangeln. Dazu lässt man den künstlichen Köder absinken, dabei kann er durchaus Tiefen von über hundert Metern erreichen, in Abhängigkeit von der Gewässertiefe und der verfügbaren Schnurlänge. Durch periodisches kurzes Hochziehen mit nachfolgendem Absinken wird dann wiederum ein taumliger Köder simuliert.
| 4. Tag, Bild 8 Fünf Meter Kanu und mittendrin sitzt Willi und angelt.
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So fahre ich also allein mitten in die Bucht hinaus. Zeitweise regnet es leicht, das stört mich aber nicht. Es ist direkt ein wenig gespenstisch - die düstere Stimmung, die tiefhängenden Regenwolken, der Regen. Es wirkt still und doch hört man Geräusche, das Plätschern des Wassers, das Pfeifen der Schnur beim Auswerfen, das leise Quietschen der Rolle beim Einrollen. Man fühlt sich irgendwie allein, die Gedanken haben Zeit zu schweifen, alle Hast und Ungeduld fällt langsam von einem ab. Obwohl um einen herum alles unwirklich wirkt, fühlt man sich doch eigenartigerweise irgendwie wohl..
| 4. Tag, Bild 9 Der Fjord ist wie ein Spiegel, mal sehen, was Evi will..
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Nach etwa anderthalb Stunden fange ich dann eine kleine Makrele, so ca. fünfzehn Zentimeter lang. Ich löse sie vorsichtig vom Haken und setze sie zurück ins Wasser. Die Blinker, die ich habe, sind für Binnengewässer gedacht, leicht und klein. Man kann nicht sehr weit auswerfen, durch das geringe Gewicht ist auch das Pilkern in größerer Tiefe kaum möglich. Die "Blechstücke" simulieren außerdem hochrückige Süßwasserfische, während die typischen Meeresfische eher schlank sind. Aber ich bin auf dem richtigen Weg.
| 4. Tag, Bild 10 Es gibt gleich Abendbrot, aber ein paar Mal auswerfen ist noch drin.
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Gegen halb acht kommt Evi hinunter zum Steg. Ich paddle zu ihr hin. Als ich aussteige, bemerken wir, das es hier auch Ebbe und Flut gibt. Alle sechs Stunden wird der Höchst- bzw. Tiefststand erreicht. Hier in Vindedalen ist an diesem Tag ca. 15 und 3 Uhr Flut, 21 und 9 Uhr Ebbe, diese Zeiten verschieben sich dann jeden Tag um etwa eine halbe Stunde. Als wir 16 Uhr losgepaddelt waren, war der Wasserstand hoch, jetzt geht es auf "Ebbe" zu und ich muss viel weiter draußen aussteigen. Die Algen auf den Steinen in Ufernähe, die vorhin noch im Wasser waren, sind jetzt an der frischen Luft.
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